Auch
wenn eingefleischte Frankophile immer wieder hartnäckig behaupten, dass im
schönen Frankreich die kulinarischen Spezialitäten quasi auf den Bäumen wachsen
und dass nicht zuletzt auch in den dortigen Bächen - wenn auch zuweilen leicht radioaktiv
- stets Milch und Honig fließen, so bleibt dem gewöhnlichen Reisenden zuweilen
doch nichts anderes übrig, als ab und an ganz schnöde im Supermarkt einkaufen
zu gehen.
Ja,
ich höre sie schon, die Müsli-Männer mit Rucksack, Dutt und Bastsandalen:
Supermarkt? Wieso das denn? Wo es doch nichts Herrlicheres in Frankreich gibt
als die allgegenwärtigen lokalen Märkte, die doch ganz allgemein und auch gerne
mehrmals in der Woche ein reiches Angebot an frischem Obst und Gemüse vorhalten.
Und manchmal gibt es dort sogar Schuhe – nicht nur die aus Bast – und, man höre
und staune, zuweilen sogar Haarbürsten und Hundeleinen.
Außerdem
weiß doch schließlich jeder, dass dem gewöhnlichen Franzosen eine einfache
Baguette, ein Stück duftender Käse und ein Gläschen Rotwein*, am Wegesrand
genossen, völlig zum Erdenglück genügen. Und daher sollte es doch dem deutschen
Touristen, wenn auch seit der Euro-Einführung nicht mehr recht und billig, aber so doch immerhin lieb und teuer sein, sich solchermaßen an die
örtlichen Gewohnheiten anzupassen! Und genau dafür ist doch alles auf jedem
gewöhnlichen Wochenmarkt zu haben!
*)Anmerkung der Red.: In vorauseilendem
Gehorsam gegenüber der Bundes-Suchtbeauftragten haben wir hier vorsichtshalber
mal nur von einem „Gläschen“ und nicht mehr vom althergebrachten „Fläschchen
Rouge/Rotwein“ gesprochen! Hihi, als wenn es in irgendeiner Weise im Ernst
durchführbar wäre, ein gefülltes Glas bei gleichzeitigem Hantieren mit Baguette
und Käse unfallfrei zu halten, wenn man sich an den Wegrand setzen will!
Nun,
bleiben wir bei der Sache: Zugegeben, auch ich habe Spaß beim Flanieren über
solcherlei Märkte. Da trifft es sich gut, dass gleich in unmittelbarer Nähe unseres südfranzösischen Feriendomizils ein
niedliches kleines Städtchen liegt mit einem wirklich erstaunlich umfangreichen
Marktgeschehen und das auch noch wirklich an drei Tagen in der Woche! Aber ganz
ehrlich: Um auf einer - zeitlich begrenzten - Reise konzentriert und effizient nicht
nur Obst und Gemüse, exotischen Honig, bunte, selbstgezogene Wachskerzen,
Gürtel, Haarspangen etc. einzukaufen, sondern eben auch Spülmittel, Mülltüten,
Bier und Shampoo, und das ohne gleich einen halben oder gar einen ganzen Tag zu
opfern, bleibt auch dem aufgeklärtesten Biofreund letztlich eben nur, wie erwähnt, der Besuch eines ganz gewöhnlichen Supermarktes.
Nicht
cool, meint Ihr? Und wie das cool ist, sogar sehr cool, gewissermaßen sogar
obercool! Man frage nur die Kassiererinnen und besonders diejenigen
Kolleginnen, die hierzulande an den Fleisch- und an den übrigens exzellenten Fischtheken
mit Schals um den Hals und gerne auch mit Wollmützchen, auf jeden Fall aber mit
warmem und feste zugezippten Sweat-Shirt arbeiten! Es ist nämlich da drinnen
oft wirklich kühl, ja sogar manchmal verdammt kühl.
Auch
die geneigte Kundschaft ist oft gut beraten, ein Jäckchen über dem Sommerhemd
oder der Sommerbluse zu tragen, vor allem, wenn sich der Einkauf mal wieder
etwas länger hinzieht, weil man natürlich jede Menge Artikel erst einmal
angestrengt suchen und einen oft nicht geringen zeitlichen Aufwand betreiben
muss, so mancher französischen Beschriftung den genauen Inhalt der Konserven,
Tüten oder sonstigen Verpackungen zu entlocken. Denn immerhin will man sicher
sein, am Ende keine Dose mit Hundenahrung - zumindest nicht für einen selbst - oder
etwa Bier mit Fruchtgeschmack, Darminnereien oder ähnliche Schweinereien in den
Einkaufskorb gepackt zu haben.
Nun,
wenn man das alles erfolgreich
gemeistert hat und auch an der Fischtheke in makellosem Deutschfranzösisch
irgendein nicht näher definiertes Meerestier erstanden hat, nähert man sich
unausweichlich der Kasse. Sogleich beschleichen den wackeren Einkäufer dabei heimatliche
Gefühle, wenn er nämlich feststellen muss, dass, ganz wie zu Hause, die Anzahl
der Kunden oft umgekehrt proportional ist zu derjenigen der besetzten Kassen. „Unser“
Supermarkt hier in der Nähe schießt hier übrigens den Vogel ab: Von sage und
schreibe 12 Kassen sind gewöhnlich gerade mal zwei bis drei besetzt. Heute war
es sogar nur eine! Reicht doch auch, oder? Ihr habt doch Zeit, Ihr elenden
schmarotzenden Pensionäre, oder? Wenn man eben unbedingt dann einkaufen gehen muss, wenn auch die lokalen Berufstätigen
gehen - also hier so etwa zwischen drei und vier nachmittags - dann ist man
doch selbst schuld!
Also
aufhören zu jammern und stattdessen - so wie heute geschehen - fasziniert
zuschauen, wie an der einzigen offenen Kasse ein Opi mit seiner überforderten
Tochter (oder ist es die Spätgeliebte?) verzweifelt versucht, mit Karte zu
zahlen. Erst einmal fand Opi nämlich die Karte erst gar nicht, darauf hin hat
man es gemeinsam - natürlich vergeblich – wohl mit der Punktekarte,
vermutlich von einem Konkurrenzunternehmen, versucht. Anschließend brachte
anscheinend auch die vermutliche Verwendung einer Krankenversicherungskarte
keinen Durchbruch. Schließlich und endlich, mit Unterstützung der extrem
geduldigen Kassiererin - da könnte sich so manche missgelaunte Supermarktschnepfe
bei uns eine Scheibe abschneiden - fand man, möglicherweise unter dem Führerschein
und dem Mitgliedsausweis vom Automobilclub, doch tatsächlich eine „Carte
bleue“. Das ist etwa so das Äquivalent zu unserer EC-Karte. Diese Karte heißt übrigens
nicht nur „bleue“, sie ist sogar tatsächlich blau und war daher für den
Besitzer unter all den anderen Papieren daher sicherlich nur schwer zu erkennen
gewesen! Nun wartete man mit Spannung auf die Eingabe der Geheimnummer. Diese
ist jedoch offensichtlich auch für den Besitzer selbst stets geheim geblieben,
denn er hackte mehrfach vergeblich auf dem Eingabegerät herum.
Ich
schaute mich inzwischen mal einfach mal so um und freute mich riesig, dass ich
mich in der inzwischen beeindruckend langen Warteschlange doch immerhin günstig
auf Position drei befand! Leider war ich durch diesen Rundumblick etwas
abgelenkt gewesen und deswegen ist mir doch glatt die Lösung des PIN-Geheimhaltungsproblems
entgangen! Denn zu meiner maßlosen Verblüffung quälte sich doch tatsächlich inzwischen
ein Kassenstreifen aus der Maschinerie! Mein Verdacht: Die Kassiererin war es
einfach leid und hat ihre eigene Bankkarte eingeführt! Anders kann ich es mir
nicht vorstellen. Oder hat die Spätgeliebte - ich habe mich diesbezüglich
inzwischen festgelegt - schweren Herzens das Restlimit ihrer Kreditkarte
riskiert? Wir werden es nie erfahren!
Auch
die auf Position zwei stehende Dame zerstörte zu meiner Enttäuschung umgehend
meine Hoffnung auf einen im folgenden zügigeren Ablauf, denn sie war sich
offensichtlich nicht ganz im klaren darüber gewesen, dass man – quel surprise –
spätestens nach dem Scannen des letzten Artikels doch tatsächlich zur Bezahlung
aufgefordert wird! Denn nur so ist es
zu erklären, dass sie sich erst jetzt
auf die Suche nach ihrem Portemonnaie begab. Das ging dann so:
Handtäschchen
auf,
kleines
Täschchen raus,
kleines
Täschchen auf,
Geldbeutel
raus,
Geldbeutel
auf,
alte
Einkaufszettel raus
Nebenfach
auf,
Geldscheine
– unsortiert – raus
wieder
kleines Täschchen auf,
Brillenetui
raus,
Brillenetui
auf,
Lesebrille
raus,
Lesebrille
auf,
Geldeutel
wieder auf,
einen
Geldschein raus,
Wechselgeld,
nicht ohne feinste vorherige Sortierung, wieder rein,
ein
fröhliches „Au revoire et bonne journèe“ seitens der immer noch extrem netten
Kassiererin - die war einfach ‚ne Wucht! - noch mal hinterfragen und dann, ja
erst DANN, die eingekaufte Ware einpacken,
dabei
am Ende feststellen, dass die mitgebrachte Konkurrenztasche nicht ausreicht und
wegen einer weiteren Tasche nachfragen, diese auch erhalten und dann aber dafür
10 Cent berappen müssen, wodurch automatisch folgt:
Handtäschchen
auf,
kleines
Täschchen raus…
(mit
Rücksicht auf die mentale Gesundheit meiner geschätzten Leser wurden die
kommenden Zeilen übersprungen)
Unabhängig
von den hier geschilderten temporeichen Abläufen war aber noch zu beobachten, dass außer
den Kassenstreifen jeweils eine fröhlich bunte Mischung aus Coupons mit
ausgedruckt wurde. Ich vermutete erst mal, dass die vielleicht neu installierte
Kassen-KI – wahrscheinlich mit inkludierter Gesichtserkennungs-Software -
aufgrund der ewigen Bezahldauer unterstellt hatte, dass das soeben geradezu zwei Monstereinkäufe
gewesen sein müssen und deswegen ganz autonom entschieden hat, einfach jeweils eine
regelrechte Gutscheinorgie auszuspucken.
Nein! Das kann es wohl doch nicht gewesen sein, denn auch ich wurde trotz
vergleichsweise bescheidenen Einkaufsvolumens und geradezu blitzartiger
Zahlungsabwicklung mit einem ganzen Stapel Coupons bedacht. Meine anfängliche
Begeisterung darüber erlitt jedoch einen merklichen Dämpfer, nachdem ich die bunten
Scheinchen nach dem Verladen meiner Einkaufsbeute ins Auto anschließend etwas genauer
in Augenschein genommen hatte.
Da
wird zwar gleich einmal ein fetter Rabatt beim nächsten Einkauf von bis zu 10
Prozent versprochen, allerdings nur für Inhaber einer ominösen Kundenkarte.
Immerhin gab es da aber noch einen weiteren Coupon im Wert von glatten 5 Euro,
aber dieser gilt halt, wie man später belehrt wird, nur an einem einzigen Tag.
Zwar ist das kein Sonntag, wie ich erst mal vermutete, sondern tatsächlich ein
Geschäftstag, aber dafür gilt er halt eben auch nur bei Einkäufen von 500 Euro oder
mehr (Tiernahrung und Motoröl ausgenommen). Außerdem kann man ihn natürlich
nicht mit anderen Coupons kombinieren, also nicht „kumulieren“. Auch nicht Panaschieren
übrigens, denn wir sind ja trotz dieser Formulierung schließlich nicht bei
einer Kommunalwahl!
Ein
weiterer Coupon berechtigt dann doch noch zu einem satten Rabatt von 20 %,
allerdings nur für den Kauf eines weiteren Shampoos wie das soeben erstandene.
Jetzt bin ich ja wirklich ein täglicher Haarwäscher und betrachte mich auch
sonst für recht reinlich, aber für die Dauer meines Aufenthalts werde ich es
wohl nicht schaffen, ein weiteres Shampoo zu benötigen. Gut ich könnte es
verschenken oder unseren Hund damit einschäumen, jedoch benötigt mein Wauwau
ein wesentlich spezielleres Shampoo und so verabschiedete ich mich schweren
Herzens auch von diesem unschlagbaren Angebot. Ebenso übrigens wie von einem
10%-Rabatt auf einen Liter Motoröl (nur 10:40er) oder alternativ auf einen
Liter virgines Olivenöl, der allerdings nur in Verbindung eines Erwerbs von
mindestens 100 Müllsäcken à 60 Liter Inhalt gegolten hätte. Da ein weiterer
Gutschein über immerhin 7 Euro beim Kauf von mindestens 30 Fruchtjoghurts nur noch
eine Stunde Gültigkeit hatte, gab ich das Projekt schließlich ganz auf und fuhr
enttäuscht, aber immerhin doch neu verproviantiert, zurück ins Feriendomizil.
Da
soll mir mal keiner kommen und sagen, dass man das alles auch auf einem
Wochenmarkt erleben kann! Ähnlichkeiten mit Begebenheiten in deutschen
Supermärkten sind übrigens ganz und gar nicht zufällig!
Salut
aus Gallien!
Euer
Palix Gallicus